Letzte Aktualisierung: 21.07.2022.
Es könnte so einfach sein … ist es aber nicht! Seit Mitte der 2010er Jahre rechnen die meisten Auslandsbroker falsch. Oder anders herum: seitdem wird in Deutschland anders gerechnet. Hast Du jüngst in Fremdwährung notierte Aktien veräußert? Dann schau‘ doch mal nach und rechne selbst, bevor es das Finanzamt für Dich tut!
Wie bei Auslandsaktien der Verkaufsgewinn bestimmt wird
Es ist ja eigentlich ganz einfach. Deshalb ein praktisches Beispiel (die Transaktionskosten lasse ich für meine Berechnung der Einfachheit halber außen vor):
Nehmen wir die in den USA an der Nasdaq notierte Aktie des brasilianischen Unternehmens StoneCo Ltd (Symbol: STNE, ISIN: KYG851581069, WKN: A2N7XN). StoneCo ist eine Art Zahlungsabwickler aus Brasilien und gelangte 2018 zu einer gewissen Bekanntheit, u.a. weil ein gewisser Warren Buffet in das Unternehmen investiert hatte.
Der Aktiengewinn berechnet sich wie folgt:
(Kaufpreis in USD minus Verkaufspreis in USD) multipliziert mit (Wechselkurs am Verkaufstag)
In unserem Beispiel also:
- 100 Stück, gekauft am 27.11.2018 für einen Kurs von 22,61 USD, in Summe somit Anschaffungskosten von 2.261,- USD
- 100 Stück wieder verkauft am 01.02.2021 für einen Kurs von 72,95 USD, in Summe somit 7.950,- USD Verkaufserlös
- Daraus ergibt sich ein Gewinn aus der Aktienveräußerung in Höhe von 5.689,- USD = 4.717,25 EUR (gerechnet mit dem Wechselkurs am Tag des Verkaufs von 1,206 vom 01.02.2021)
So rechnet z.B. auch Interactive Brokers mit seinen Ablegern wie AGORA direct, BANX, CapTrader, FinoBroker, FXFlat und LYNX. Dies kann man sich z.B. in allen Reports ansehen, bei denen auf Einzeltitelebene „Realisierter G&V“ angezeigt werden.
Aber stimmt denn die Rechnung? Nö …! Für Deinen Auslandsbroker vielleicht schon. Auch für Steuer in den USA. Aber nicht für das deutsche Finanzamt!
Ebenso relevant ist nämlich der Wechselkurs am Tag des Kaufs (1,1431 am 27.11.2018). Der Gewinn errechnet sich somit wie folgt:
- (7.950,- USD / 1,206) – (2.261,- USD / 1,1431) = 4.614,09 EUR
In der Summe also über 100,- EUR weniger Gewinn als bei der Berechnung Deines Brokers!
Mit der (falschen) Berechnung des Brokers hättest Du in diesem Fall also zu viel Steuer gezahlt!
Der Grund hierfür ist, dass sich bei Auslandsakten der Veräußerungsgewinn oder -verlust eben auch aus Währungsgewinn oder -verlust besteht. In unserem Beispiel hat sich der Wechselkurs EUR/USD zu meinen Ungunsten entwickelt hat. Der Dollar ist schwächer geworden, und damit haben Deine US-Aktien (gerechnet in Euro) an Wert verloren!
Anmerkung: Als Daytrader kann einem dieser Unterschied natürlich egal sein, da hier ja nur ein Wechselkurs gilt!
Zum steuerlichen Hintergrund
Über die steuerlich richtige Verfahrensweise hatte der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 21. Januar 2014 (IX R 11/13, DB 2014 S. 690 = DB0650624) zu entscheiden. Sehr schön (kompliziert) lässt sich das etwa auf dem Blog des Handelsblatts nachlesen. Zitat:
… hat der BFH entschieden, dass die Entgegennahme eines Bankguthabens in fremder Währung als Gegenleistung beim Verkauf von Wertpapieren ertragsteuerlich als Tausch zu behandeln ist, bei dem einerseits Wertpapiere veräußert und andererseits das Wirtschaftsgut „Fremdwährungsguthaben“ angeschafft wird. Dies gilt nach Ansicht des BFH sogar dann, wenn bereits der Kauf der verkauften Wertpapiere über ein in der Fremdwährung geführtes Konto erfolgte. Rechtsfolge hiervon ist, dass sich Währungsgewinne oder -verluste des Steuerpflichtigen nicht nach dem Tag der ursprünglichen Anschaffung des Fremdwährungsguthabens richten, sondern nach dem Tag des späteren Verkaufs der in fremder Währung erworbenen Wertpapiere einerseits und dem Umtausch des mit den Wertpapieren realisierten Veräußerungserlöses in Euro andererseits.
Somit muss zur steuerlich korrekten Feststellung des Veräußerungsergebnisses beim Kauf und Verkauf von Wertpapieren über ein Fremdwährungskonto eine Umrechnung in Euro sowohl für den Kauf als auch für den Verkauf stattfinden. Eine bloße Umrechnung des in Fremdwährung erzielten Veräußerungsergebnisses in Euro ist nicht statthaft!
Anders gesagt: Das Wirtschaftsgut „Aktie“ lässt sich nicht einfach in einen Sachwert- und eine Währungsteil trennen. Egal in welcher Währung und an welcher Börse, der Kurs des Wertpapiers wird sowohl beim Kauf als auch beim Verkauf in EUR umgerechnet. Die Differenz ergibt den Gewinn oder Verlust. Währungsgewinne werden somit mitversteuert.
Eigentlich DOCH logisch?!
Man mag ja den Finanzbehörden vorwerfen, dass in Deutschland in Sachen Steuer alles noch komplizierter ist als anderswo. In manchen ausländischen Blogs, etwa hier, wird auch entsprechendes Unverständnis geäußert.
Allerdings: Überlegt man sich, wie denn bei dem gleichen Beispiel ein deutscher Broker abgerechnet hätte, stellt man fest, dass dieser ja ebenfalls sofort alles in Euro umrechnet, man mithin also zum gleichen Ergebnis kommt. Man muss den Finanzbehörden zugestehen, dass sie somit den gleichen Sachverhalt auch steuerlich gleich behandeln. Oder anders gesagt: für den Sachverhalt an sich ist es erst einmal egal, ob man bei einem Auslandsbroker ist oder bei einer deutschen Depotbank.
Trotzdem: Vorteil Auslandsbroker!
Einen kleinen Unterschied zwischen Inlands- und Auslandsbroker gibt es dann aber doch: der Inlandsbroker tauscht jedes Mal tatsächlich in Euro um, während beim Auslandsbroker der Erlös in Fremdwährung direkt für weitere Investments zur Verfügung steht.
Vorteil also: man spart sich jeweils die Kosten des Währungstausches. Hier langen die deutschen Broker z.T. ganz schön zu. Das aber … ist bald einmal einen eigenen Blogbeitrag Wert!
Der Hauptnachteil eines Auslandsbrokers ist und bleibt letztlich der höhere Aufwand bei der Steuererklärung.
Seit Ende 2020: Steuerreporting für deutsche Kunden
Zumindest bei Interactive Brokers gibt es Fortschritte zu vermelden: Etwa seit Oktober 2020 bieten die Introducing Broker von Interactive Brokers einen zusätzlichen Report zur Unterstützung des deutschen Steuerreportings an. Ihr findet diesen in der Kontoverwaltung unter Berichte/Steuerdokumente und dann unter Steuern. Unten rechts bei Informative Steuerberichte könnt Ihr nun für Eure Rechtsordnung (also Deutschland) ein entsprechendes Reporting anfordern. Mir wurde seitens CapTrader zwar gesagt, dass dies erstmalig für das Jahr 2020 möglich sei. Einigen Erfahrungsberichten aus dem Internet konnte ich jedoch entnehmen, dass bereits für das Steuerjahr 2019 ein informativer Steuerbericht erstellt wird.
100-prozentig verifizierte Erfahrungswerte zu der Güte des Reportings gibt es bisher nicht. In verschiedenen Foren war aber bereits zu lesen, dass die Aktiengewinne hier, im Sinne des deutschen Finanzamts, „richtig“ berechnet werden. Ebenso beklagt wurde allerdings, dass die Werte nicht mit der eigenen Steuererklärung übereinstimmen würden. Mögliche „Knackpunkte“, um zu prüfen, warum es zu Umstimmigkeiten kommthabe ich in einnem separaten Beitrag ausgefürt.
Einmal mehr der wichtige Hinweis: Wenn Ihr einen solchen informativen Steuerbericht haben wollt, müsst Ihr vorher in der Kontoverwaltung unter Berichte/Steuerdokumente, rechts neben dem Wort Berichte, auf das alte vor-Brexit-Konto umstellen. Sonst seht Ihr nämlich: nix!
Für 2021, so vermute ich mal, wird es zwei Informative Steuerberichte geben, einmal für die Tage vor der Konto-Migration, einmal für den Rest des Jahres. Ab 2022 ist dann nur noch das neue Konto relevant.
Übrigens: ich persönlich sehe diesen Bericht für 2020 bisher (Stand 07/2021) nicht … ;-( obwohl mir seitens CapTrader zugesichert wurde, dass er bis ca. Ende März 2021 verfügbar sein müsste …
Fazit: selber rechnen!
Jedenfalls, die Zahlen Deines Brokers zu den mit einer Transaktion realisierten Gewinnen und Verlusten solltest Du lieber nicht für bare Münze nehmen.
Eigentlich kann es Dir ja auch egal sein: Wenn Du Dir einfach die Euro-Wechselkurse zum Zeitpunkt der Käufe und Verkäufe jeweils separat mit dem Wertpapierkurs (und den Anschaffungsnebenkosten wie z.B. den Ordergebühren) notierst, ist die Berechnung ja nicht sonderlich schwer. Excel ist Dein Freund!
Übrigens, hier noch ein kleiner Fallstrick: Die GuV-Angaben der Auslandsbroker enthalten u.U. auch keine Transaktionsgebühren. So zumindest bei Interactive Brokers und deren Introducing Brokern. Diese darfst du nämlich steuermindernd berücksichtigen!
Bild von Steve Buissinne auf Pixabay