Letzte Aktualisierung: 18.10.2023.
Es gibt viele gute Gründe, sich für ein Wertpapierdepot bei einem Broker im Ausland zu entscheiden. Genauso gute Gründe aber auch dagegen. Allen gemein ist meiner Erfahrung nach: Sie werden bei den gängigen Broker-Tests eher weniger bis gar nicht berücksichtigt. Speziell auch die Details, die für Einkommensinvestoren von besonderer Bedeutung sind. Uuuunnd … los geht’s!
Zehn Gründe, die FÜR ein Depot bei einem Broker im Ausland sprechen …
- Geringere Transaktionsgebühren
Wie bei inländischen Brokern ist die eigentliche Depotverwaltung bei einem Auslandsbroker nicht selten kostenfrei. Einige der Auslandsbroker, z.B. die Ableger von Interactive Brokers (u.a. AGORA direct, BANX, CapTrader, FinoBroker, FXFlat und LYNX) oder DEGIRO bieten darüber hinaus aber sehr günstige Ordergebühren. Dass man für den Erhalt von Dividenden keine Gebühren bezahlen möchte, dürfte ja eh klar sein … - Mehr Handelsplätze
Viele der insbesondere auch die in Deutschland derzeit neu in den Markt eintretenden „Neo-Broker“ (Gratisbroker, justTRADE, Smartbroker, Trade Republic etc.), haben geringe bis gar keine Transaktionsgebühren. Dafür sind diese aber bei der Auswahl der Handelsplätze eingeschränkt. Auslandsbroker ermöglichen demgegenüber den direkten Zugang auch zu exotischeren Handelsplätzen. Manche bieten gar weitaus mehr Börsen/Handelsplätze an, als man dies auch bei alteingesessenen deutschen Brokern gewohnt ist. Der Auslandsbroker DEGIRO bietet z.B. über 50 Handelsplätze an, CapTrader und andere Broker, die auf das Backend des US-Anbieters Interactive Brokers setzen, gar über 100. - Mehr handelbare Produkte
Speziell bei den o.g. Neo-Brokern erkauft man sich die günstigen Gebühren meist mit einer eingeschränkten Zahl handelbarer Produkte. Spezialitäten wie CEFs, ETNs, LPs/MLPs, US-ETFs oder US-REITs fallen da gerne unter den Tisch. - Günstigerer Wertpapierkredit
Das Thema pro/contra Wertpapierkredit ist einen eigenen Beitrag wert. Unbestritten ist jedoch, dass Auslandsbroker oft bessere Konditionen anbieten. DEGIRO bietet z.B. (außer beim Depot-Typ „Basic“) einen Wertpapierkredit in Euro für 1,25% p.a. an, Interactive Brokers liegt bei 1,50% bei CapTrader sind es derzeit für den Euro 2,50%. Selbst wenn man eigentlich keinen Wertpapierkredit aufnehmen will, sind solche niedrigen Zinssätze natürlich von erheblichem Vorteil. Zum Beispiel wenn man nach einem Wertpapierverkauf kurzfristige Liquidität benötigt, weil man direkt wieder kaufen möchte. Ach ja, nur so zum Vergleich: die comdirect liegt derzeit bei 3,90%, onvista verlangt gar 4,25% p.a. - Größere Flexibilität bei Fremdwährungen
Handelt man als Kunde eines deutschen Brokers mit nicht in Euro notierten Wertpapieren, so erfolgt bei jeder Transaktion (Kauf, Verkauf, Ausschüttung) ein sofortiger Währungstausch in Euro. Sofern man in der jeweiligen Währung direkt wieder reinvestieren will, ist es praktischer, einfach mehrere Währungskonten parallel zu unterhalten. Dies ist bei vielen Auslandsbrokern üblich. Bei einem geplanten Währungstausch kann ich ggf. durch die Wahl des geeigneten Umtauschzeitpunktes von einem vorteilhafteren Wechselkurs profitieren. - Umgehung von MiFiD II
Innerhalb der EU dürfen zum Schutz der Anleger „verpackte Anlageprodukte“ nur noch dann angeboten werden, wenn ein Basisinformationsblatt (sog. Key Information Document – KID) vorliegt. Damit fallen etwa die bei vielen Einkommensinvestoren besonders beliebten, hoch ausschüttenden US-ETFs komplett unter den Tisch. Leider trifft diese Regelung mittlerweile auch Auslandsbroker, selbst wenn sie außerhalb der EU angesiedelt sind, sofern sie vertrieblich im EU-Raum aktiv sind. So können bei DEGIRO (und selbst bei DEGIRO.ch seit Anfang 2019) keine Nicht-MiFID II-Papiere mehr erworben werden. Auch bei Interactive Brokers und Konsorten sind diese Papiere ohne KID seit Juni 2018 nicht mehr für deutsche Retailkunden handelbar.
Ein Ausweg wäre hier z.B. die Wahl eines Auslandsbrokers aus den USA, der auch deutsche Kunden aufnimmt (hier fällt mir TradeStation ein). Ein anderer ein (leider eher teurer) Broker aus der Schweiz, Swissquote. Eine letzte Möglichkeit: Man lässt sich, falls der Broker dies ermöglicht, als „professioneller Kunde“ klassifizieren. Hierfür gibt es allerdings recht hohe Hürden. - Besseres Handling des Return Of Capital
Im US-Raum ist es, insbesondere bei Hochdividendenwerten wie CEFs, US-ETFs oder US-REITs üblich, dass ein Teil der Ausschüttung den Charakter einer Kapitalrückzahlung hat (Return Of Capital, ROC). Die entsprechende Reklassifizierung der Ausschüttung oder Dividende erfolgt dabei erst im Laufe des Folgejahres. Bei deutschen Brokern führt dies mitunter zu einem regelrechten Papierkrieg mit einer großen Zahl eher schwer verständlicher Stornierungen und Neubuchungen. Dazu kommt, dass die Abgeltungsteuer abzuführen und wieder zu erstatten ist und die verschiedenen Verrechnungstöpfe zu berücksichtigen sind.
Verwaltet man diese Titel in einem Auslandsdepot, kann man diesem Procedere gelassener entgegensehen. Erst vereinnahmt man die Ausschüttung oder Dividende, und im Folgejahr erfolgt dann die Korrektur in Form einer Rückerstattung von US-Quellensteuer. Die deutsche Abgeltungsteuer errechnet man selbst erst danach, auf Basis der finalen Klassifizierung der einzelnen Bestandteile der Ausschüttungen oder Dividenden. - Steuerverschiebung ins Folgejahr
Auslandsbroker unterliegen nicht der deutschen Steuergesetzgebung und führen für den deutschen Staat keine Abgeltungsteuer ab. Natürlich muss man daher selbst aktiv werden und die Kapitalerträge im Rahmen der Steuererklärung (Anlage KAG, ggf. Anlage KAG-INV oder weitere Anlagen) deklarieren. Es bleibt allerdings der Liquiditätsvorteil, die Steuern erst zu einem späteren Zeitpunkt zahlen zu müssen. Allerdings: Liegen die erzielten Kapitalerträge regelmäßig über einem bestimmten Niveau, wird das Finanzamt womöglich für die Zukunft entsprechende Vorauszahlungen festsetzen.
Eine Ausnahme sind übrigens deutsche Aktien, bei der ein Auslandsdepot hier keinerlei Vorteile bietet. Bei diesen wird die volle Abgeltungsteuer inkl. Soli als Quellensteuer (in Summe 26,375%) direkt von der inländischen Zahlstelle einbehalten und abgeführt. - Einfluss auf die Art der Besteuerung
Bei diesem Punkt kommt es sehr auf die jeweiligen Umstände an. Fakt ist jedenfalls, dass einzelne Finanzämter bestimmte Steuersachverhalte unterschiedlich bewerten. Ebenso sind hiesige Kreditinstitute eher zurückhaltend bei der Nutzung steuerlicher Gestaltungsspielräume, da sie an die Auslegung der Finanzverwaltung gebunden sind. Deutsche Kreditinstitute halten sich dabei im Wesentlichen an die Informationen von Datenlieferanten wie WM Datenservice. Deklariert man seine Kapitalerträge dagegen selbst, hat man gewisse Freiräume bei der Darstellung eines Steuersachverhaltes. Es steht dem Steuerpflichtigen frei, eine eigene (andere) Auffassung geltend zu machen.
Ein Beispiel ist die Wahl des richtigen Verrechnungstopfes: Royalty Trusts etwa sind zwar aktienähnlich, aber als Genussscheine eher dem Topf „Sonstiges“ zuzuordnen.
Ein weiteres Beispiel: die einkommensteuerrechtliche Behandlung der Erträge aus einer Limited Liability Company (LLC), einer Limited Partnership (LP) oder einer Master Limited Partnership (MLP). Hier wäre, je nach Handhabung seitens des örtlichen Finanzamts, entweder die Abgeltungsteuer oder die persönliche tarifliche Besteuerung „richtiger“. - Avancierte Trading-Tools
Viele Auslandsbroker ermöglichen die kostenfreie Nutzung sehr leistungsfähiger Trading-Software. Bei CapTrader ist dies z.B. die Trader Workstation (TWS). Der US-Anbieter TradeStation ist eigentlich eher ein professioneller Software-Anbieter, der Online-Brokerage sozusagen als Begleitservice bietet.
… und fünf gute Gründe GEGEN ein Auslandsdepot!
- Höherer Aufwand bei der Steuererklärung
Gerade wenn man nicht nur in „normale“ Aktien investiert, sondern z.B. in CEFs, ETNs, LPs, MPLs oder US-ETFs, muss man sich den nötigen Wissenstand erst einmal erarbeiten, oder sich externer Hilfe der steuerberatenden Berufe versichern. Aber auch wenn es nur um Blue Chips geht: Dein Auslandsbroker rechnet aller Wahrscheinlichkeit nach im Sinne des deutschen Finanzamts oft falsch, z.B. bei der Ermittlung von Aktiengewinnen. - Geringere Rechtssicherheit
Gut möglich, dass ein deutscher Broker steuerrechtlich einmal nicht auf dem neuesten Wissenstand ist. Oder aufgrund einer eher, ähem, „zurückhaltenden Auslegung“ der Steuergesetzgebung erst einmal zu viel Abgeltungsteuer abführt. Man kann aber normalerweise davon ausgehen, dass richtiggehende Fehler über kurz oder lang korrigiert werden und man steuerrechtlich auf der sicheren Seite ist. Hat man die Kapitalerträge dagegen selbst deklariert, so bleibt doch eine gewisse Unsicherheit, ob man wirklich an alles gedacht hat, und ob das Finanzamt die eigenen Ansichten teilt. - Sicherheitsaspekte
Die bei einer deutschen Depotbank verwahrten Wertpapiere sind von einer Insolvenz nicht betroffen (außer die Depotbank ist selbst der Emittent eines der Wertpapiere). Für das Geld auf dem Depotkonto greift mindestens die gesetzliche Einlagensicherung von 100.000 Euro pro Konto. Diese (Mindest-)Deckungssumme gilt mittlerweile EU-weit.
Ist der Sitz des Auslandsbrokers außerhalb der EU sollte man sich demgegenüber noch einmal genauer ansehen, wo die Wertpapiere und Einlagen genau gelagert sind, und welche Sicherungssysteme im Bedarfsfall einspringen. Als relativ sicher dürften hier UK, die Schweiz und die USA gelten. - Sprachbarriere
Egal, ob es nun um die Nutzung des Internet-Auftritts, die Bedienung der zur Verfügung gestellten Software oder den Support geht. Wenn man sich nicht gerade einen Auslandsbroker aus der Schweiz sucht, ist man ohne entsprechende Sprachkenntnisse gehandicapt.
Das gilt bis zu einem gewissen Grad selbst für in Deutschland ansässige Broker wie CapTrader (oder andere sogenannte „Introducing Broker“ von Interactive Brokers), die trotz deutscher Internet-Seite letztlich das (nicht in allen Teilen übersetzte) englischsprachige Backend von Interactive Brokers nutzen. - Aufwändiges Devisen-Handling
Werden bei einem Auslandsbroker Käufe oder Verkäufe z.B. für eine US-Aktie getätigt, so erfolgt normalerweise keine direkter Währungstauch in Euro. Insofern besteht ein gewisses Währungsrisiko, das aber natürlich auch eine Chance sein kann.
Tauschen Sie innerhalb eines Jahres z.B. Dollar in Euro um, könnten Wechselkursgewinne entstehen. Sofern Sie dabei die Freigrenze von 600,- Euro (für alle sog. „privaten Veräußerungsgeschäfte“ zusammen) überschreiten, müssen Sie auch das Finanzamt daran teilhaben lassen.
Hinzu kommt: Für die deutsche Steuer müssen Sie bei jeder Transaktion (auch für jede Dividendenzahlung) den Währungsbetrag mit dem entsprechenden Tageskurs in Euro umrechnen. Mit Glück, sofern die Basiswährung bzw. Berichtswährung des Accounts Euro ist, finden sich diese Angaben bereits im Reporting des Brokers. Sonst müssen Sie selbst entsprechendes Berichtswesen betreiben und sich die jeweiligen Wechselkurse notieren. Unter Umständen reicht es auch, sich für jedes Wechselkurs-Paar den Monatsdurchschnittskurs zu notieren. Diese werden u.a. von der Bundesbank zur Verfügung gestellt.
Für den Umtausch in Euro oder die Überweisung auf ein deutsches Konto können natürlich zusätzliche Kosten entstehen. Relativ teuer sind z.B. Überweisungen zwischen den USA und Europa.
Last but not least musst Du in Deutschland die Meldepflicht bei Auslandsüberweisungen beachten.
Wenn Ihr nun wissen wollen, welche Arten von Broker(n) ich Euch persönlich vorschlage, kannst Du das hier lesen …
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