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30 Prozent Pauschalsteuer bei Depotübertrag ohne Anschaffungskosten?

Letzte Aktualisierung: 25.08.2021.

Viele werden es aus eigener Erfahrung kennen: Wertpapier- und Depotüberträge sind nicht selten langwierig und fehlerbehaftet. Manchmal kommen sie sogar gar nicht erst zustande. Selbst wenn auf den ersten Blick alles glatt verlaufen ist, kann es später noch Probleme geben: Zum Beispiel, wenn die Anschaffungskosten der Papiere nicht oder nicht korrekt übertragen wurden. In diesem Falle drohen bei einer deutschen Depotbank im Falle eines Verkaufes der Papiere 30 Prozent Pauschalsteuer! Noch schlimmer: Nicht immer kann man sich die zuviel bezahlte Steuer nachträglich noch vom Finanzamt zurückholen.

Bevor man jetzt womöglich in Panik verfällt, sollte man sich erst einmal einen Überblick über frühere Depotüberträge verschaffen. Zu prüfen ist, z.B. anhand einer Bestands- oder Depotübersicht, ob die Anschaffungspreise der Papiere korrekt übertragen wurden.

Die Anschaffungskosten sind der Preis für ein Wertpapier inkl. aller Anschaffungsnebenkosten, also z.B. Bankspesen, Börsengebühren, und ggf., wie im Falle von Großbritannien oder der Schweiz, der Stempelsteuer. Falls die Anschaffungskosten bzw. der Einstandspreis nicht direkt ausgewiesen werden, kann man sich ggf. über die Anzeige der unrealisierten Gewinne oder Verluste helfen. Aus diesen lässt sich errechnen, welcher Anschaffungspreis der Berechnung zugrunde gelegt wurde.

Darüber hinaus sollten natürlich immer Belege über jeden Verkauf oder Kauf vorgehalten werden – auch wenn der Erstkauf vielleicht schon 20 Jahre (!) zurückliegt. Gegenüber dem Finanzamt ist man nämlich im Zweifel selbst in der Beweispflicht.

Überträge von einem ausländischen Institut

Genau in diesem Fall drohen bei einem Wertpapierverkauf 30 Prozent Pauschalsteuer. Und zwar immer dann, wenn das aufnehmende, deutsche Institut den Anschaffungspreis der Papiere (den „Einstandswert“) nicht kennt bzw. nicht übermittelt bekommen hat und somit den tatsächlichen Kursgewinn aus Anschaffungs- und Verkaufspreis nicht mehr ermitteln kann.

30 Prozent Pauschalsteuer“ sind an dieser Stelle durchaus missverständlich formuliert. Von mir wie auch anderswo in Beiträgen, Chats, FAQs und Foren: Es ist mitnichten so, dass der Fiskus 30 Prozent des Verkaufspreises einbehält! Stattdessen setzt das Institut pauschal eine Ersatzbemessungsgrundlage von 30 Prozent des Verkaufspreises an und führt davon die übliche Abgeltungsteuer von 25 Prozent zzgl. Soli und ggf. Kirchensteuer ab.

Ein einfaches Beispiel: Der Verkaufspreis beträgt 5.000,- EUR. Die Steuerbemessungsgrundlage beträgt dann 30 Prozent, also 1.500,- EUR. Davon werden 25 Prozent Abgeltungsteuer, also 375,- EUR, abgeführt, zzgl. Soli und ggf. Kirchensteuer.

Grundlage der Anwendung der Pauschalmethode auf Basis einer Ersatzbemessungsgrundlage ist übrigens § 43a Absatz (2), Satz 7 des Einkommensteuergesetz (EStG):

„Sind die Anschaffungsdaten nicht nachgewiesen, bemisst sich der Steuerabzug nach 30 Prozent der Einnahmen aus der Veräußerung oder Einlösung der Wirtschaftsgüter.“

https://www.gesetze-im-internet.de/estg/__43a.html

In die gleiche Falle tappen kann man übrigens nicht nur bei einem Verkauf von Wertpapieren, sondern auch bei der Rückzahlung bei Fälligkeit.

Steuererklärung machen …

Sollte der tatsächliche Kursgewinn noch über den pauschal angenommenen 30 Prozent liegen, ist der Steuerabzug sicherlich zu verschmerzen. Nicht jedoch, wenn der Kursgewinn darunter liegt. Der Anleger muss sich dann den überhöhten Steuerabzug über die Steuererklärung selbst zurückholen.

Achtung: Dies wird nur dann gelingen, wenn der Anschaffungspreis mit alten Kaufabrechnungen nachzuweisen ist. Es sind durchaus Fälle vorstellbar, bei dei denen dies mit Schwierigkeiten verbunden ist. Immerhin kann man einem ausländischen Institut, das nicht zur Kooperation bereit ist, nur schwerlich mit der Aufsicht drohen.

… oder sich bei der Depotbank melden!

Hat die deutsche Depotbank den Steuerabzug bereits vorgenommen, sind Hopfen und Malz nicht sogleich verloren: Statt bis zur Steuererklärung zu warten, kann der Anleger der Depotbank auch nachträglich, innerhalb des gleichen Jahres, in dem der Verkauf erfolgte, noch darlegen, welcher Anschaffungspreis anzusetzen gewesen wäre. Die Depotbank muss den Steuerabzug dann neu berechnen, indem die alten Abrechnungen korrigiert und ggf. zu viel bezahlte Steuer zurückerstattet wird.

Innerdeutsche Depotüberträge

Handelt es sich um einen Übertrag zwischen verschiedenen deutschen Depotbanken bzw. Online-Brokern, ist man an sich fein raus: Seit dem Jahr 2009 sind die Institute verpflichtet, alle für die Besteuerung notwendigen Informationen vorrätig zu halten. Bei einem Depotübertrag ist die abgebende Stelle verpflichtet, diese Informationen entsprechend weiterzugeben. Wenn das nicht geschehen ist, sollte man dort noch einmal nachfragen. Zeigt dies keine Wirkung, hilft sicherlich ein Verweis auf eine mögliche Verbraucherschutzbeschwerde bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Immerhin hat ein Institut nach § 63 Absatz (1) Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) die organisatorische Verpflichtung, das Depotgeschäft ehrlich, redlich und professionell im bestmöglichen Interesse seiner Kunden zu erbringen.

Das Einkommensteuergesetz (EStG) sagt hierzu in § 43a in Absatz (2), Satz 3:

„Überträgt der Steuerpflichtige die Wirtschaftsgüter auf ein anderes Depot, hat die abgebende inländische auszahlende Stelle der übernehmenden inländischen auszahlenden Stelle die Anschaffungsdaten mitzuteilen.“

https://www.gesetze-im-internet.de/estg/__43a.html

Überträge ins Ausland

Transferiert man Wertpapiere von einem inländischen Institut ins Ausland, sollte es normalerweise ebenfalls keine Probleme geben, selbst wenn der Auslandsbroker die historischen Anschaffungskosten nicht erhalten hat oder nicht willens ist, diese einzupflegen. Denn: für die Anzeige eines zu besteuernden Sachverhalts ist man ja dann selbst verantwortlich. Wie ich schon öfter dargelegt habe, spricht eine ganze Reihe von Vorteilen für ein Auslandsdepot. Verkaufe ich also z.B. ein Wertpapier mit Gewinn, so muss ich dem Finanzamt den Aktiengewinn (…) im Zuge der dann mandatorischen Steuererklärung selbst darlegen. Wichtig ist dabei natürlich, dass ich sowohl die Anschaffungskosten als auch den Veräußerungserlös schriftlich bzw. per PDF-Datei nachweisen kann.

FIFO-Regel beachten

Gerade bei Wertpapieren, bei denen man über die Jahre mehrmals Käufe oder Verkäufe getätigt hat, kann die Berechnung des Aktiengewinns durchaus kompliziert werden. Es bietet sich z.B. an, bei einem Verkauf die FIFO-Regel (First-In, First-Out) zu berücksichtigen.

Seit 2005 ist „First in, first out“ auch das standardmäßige Verfahren beim Verkauf von Wertpapieren: Bei Teilverkäufen einer Wertpapierposition aus einem Depot werden die zuerst gekauften Positionen auch zuerst wieder verkauft. Dabei werden zur Steuerberechnung auch die entsprechenden Kaufkurse berücksichtigt. Hier ein einfaches Beispiel:

  • Kauf von 300 Aktien in 2011
  • Kauf von 300 Aktien in 2012
  • Kauf von 500 Aktien in 2013

Wenn ich jetzt z.B. 500 Aktien verkaufe, mache ich mir die Berechnung unnötig schwer, da ich für die ersten 300 Aktien den Anschaffungspreis von 2011, für die nächsten 200 Aktien den Anschaffungspreis von 2012 berücksichtigen muss. Ebenso muss ich dann beim Verkauf der nächsten 100 Aktien wieder an den zugehörigen Anschaffungspreis denken. Es liegt also nahe, entweder 300 oder gleich 600 oder 1.100 Aktien zu verkaufen.

Komplizierter wird die Berechnung dann v.a. beim zwischenzeitlichen Erwerb von Bruchstücken, wie es z.B. bei Fondsanteilen möglich und üblich ist, z.B. wenn die Ausschüttungen eines Fonds im gleichen Fonds direkt wiederangelegt werden.

Übrigens: Mit der Einführung der Abgeltungssteuer im Jahr 2009 hat die FIFO-Regel noch einmal zusätzliche Bedeutung erlangt. Realisierte Kursgewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren waren zuvor nach Ablauf einer Mindesthaltedauer von einem Jahr noch steuerfrei. Seit 2009 sind Veräußerungsgewinne jedoch unabhängig von der Haltedauer des Wertpapiers grundsätzlich steuerpflichtig.

Kompliziert im Detail

Gerade bei den sog. Neo-Brokern ist es mit der Organisation von Wertpapier- oder Depotüberträgen oft noch nicht allzu weit her. Gerade in turbulenten Marktphasen, wie z.B. 2020 im Zuge des Corona-Crashs, werden dann Überträge nur stark verzögert oder mangelhaft ausgeführt.

Tatsächlich kann ein Wertpapierübertrag zu einem komplexen Sachverhalt werden. Abhängig von der Wertpapierart und den jeweils eingebundenen Lagerstellen sind die Lieferwege teils sehr unterschiedlich. Gerade der Lagerstellenwechsel führt gerne einmal zu Problemen, insbesondere bei ausländischen Wertpapieren, die in ausländischen Lagerstellen verwahrt werden. Unter Umständen sind dann manuelle Nachbearbeitungen seitens der Depotbank erforderlich, weshalb letztlich of mehrere Wochen bis zu einem erfolgreichen Übertrag ins Land ziehen.

Vorausschauende Planung hilft

Dauert der Übertrag (zu) lange, ist dies aus Kundensicht durchaus ein Problem, insbesondere wenn man auf aktuelle Marktentwicklungen wie etwa einen Kurssturz hätte reagieren wollen. Insofern sollte man Wertpapier- oder Depotüberträge auch zeitlich länger vorausplanen und mögliche Verzögerungen gleich mitberücksichtigen.

Wenn mit der betreffenden Depotbank noch keine Erfahrungen vorliegen, hilft vielleicht auch ein „Versuchsballon“ mit einem einzelnen Wertpapier, bei dem man den zeitweilig nicht möglichen Zugriff verschmerzen kann.

Sonderfall: Mitarbeiteraktien

Ein Sonderfall ist z.B. die Übertragung von Wertpapieren, die von dem übertragenden Institut noch gar nicht in ein Depot eingebucht waren. Dies kann z.B. bei Mitarbeiteraktien vorkommen. Die offene Frage ist hierbei, zu welchem Kurs die Papiere denn in das Depot übertragen worden wären, sofern es überhaupt ein abgebendes Depot gegeben hätte 😉 Genau diesen Kurs müsste man ja im Falle eines Verkaufs für die Berechnung des Aktiengewinns heranziehen.

Nun, das Datum des Übertrags wird üblicherweise von dem Unternehmen, das die Mitarbeiteraktien ausgibt, festgelegt. Zu diesem Datum kann dann üblicherweise der Schlusskurs oder der Durchschnittskurs dieser Aktie herangezogen werden. Dieser Kurs dürfte dann auch der gleiche sein, mit dem ein eventueller geldwerter Vorteil der Überlassung der Mitarbeiteraktien errechnet wird.

Zum Problem kann es wohl dennoch kommen, sofern die Übertragung von einem Institut aus einem anderen EU/EWR-Staat kommt. Das Einkommensteuergesetz (EStG) sagt hierzu nämlich in § 43a in Absatz (2), Satz 5:

„Handelt es sich bei der abgebenden auszahlenden Stelle um ein Kreditinstitut, ein Finanzdienstleistungsinstitut oder ein Wertpapierinstitut mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, in einem anderen Vertragsstaat des EWR-Abkommens vom 3. Januar 1994 […], kann der Steuerpflichtige den Nachweis nur durch eine Bescheinigung des ausländischen Instituts führen […]“.

https://www.gesetze-im-internet.de/estg/__43a.html

Liegt diese Bescheinigung nicht vor, wird es schwierig, denn Satz 6 besagt:

„In allen anderen Fällen ist ein Nachweis der Anschaffungsdaten nicht zulässig.“

Bild von Ag Ku auf Pixabay

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